Pressemitteilungen Archiv 2019

Erst der Tiefpunkt - Dann die Hilfe

Erstellt von Kerstin Kempermann |

Vier Suchtkranke berichten über ihr Leben mit Alkohol und den Weg aus der Sucht

Brake, 25.7.2019 – Sabine, Ralf, Siggi und Günter sitzen entspannt am Tisch. Sie kennen diesen Raum in der Fachstelle Sucht in der Wesermarsch. Einmal in der Woche treffen sie sich hier mit Birthe Voß, Leiterin der Fachstelle Sucht der Diakonie zur Nachsorge. Alle vier waren zur Therapie in der Fachklinik Weser-Ems. Die Treffen helfen ihnen, ihr Leben abstinent zu führen.

 

„Ich kannte kein Maß“, schildert Günter. Der 57-Jährige kam schon in seiner Jugend mit Alkohol in Kontakt. „Und wenn ich getrunken habe, war es immer gleich zu viel“, erzählt er. Über Jahre habe er sich aber eingeredet, alles sei in Ordnung. „Ich kann ja aufhören“, mit diesem Satz haben sich alle vier immer wieder beruhigt. Doch es ging eben nicht. Und irgendwann kam der Tiefpunkt. „Ich kam betrunken zur Arbeit. Plötzlich war der Führerschein weg und ich bekam die fristlose Kündigung“, erzählt Günter. Für ihn der Wendepunkt.

 

Ähnlich erzählt es auch Sabine. Es brauchte eine Abmahnung auf der Arbeit, bis sie den Weg in die Therapie fand. „Montag kam die Abmahnung, Dienstag war ich hier bei Frau Voss. Ich wusste, alleine schaffe ich es nicht“, erinnert sie sich an diesen Moment. „Meine Geschwister, mein Mann, meine Kinder – sie alle hatten mich vorher schon angesprochen. Aber ich wollte nichts hören, fand immer Ausreden“, erinnert sie sich. Erst der Schritt ihres Arbeitgebers gab den Ausschlag. Heute ist sie dankbar dafür und froh aus dem Kreislauf aus Trinken und Beschaffung und den damit verbundenen Lügen ausgebrochen zu sein.

 

Wie schnell man in diesen Kreislauf wieder hineingeraten kann, haben Ralf und Siggi beide schon erlebt. Ralf war 13 Jahre trocken, vor seinem Rückfall. Bei Siggi waren es 15 Jahre. Beim ersten Mal war es der stressige Schichtdienst, erinnert sich Siggi. Abends musste er früh ins Bett, um morgens um drei wieder zur Arbeit zu kommen. Da sollte ein Bier bei der Entspannung helfen. Doch schnell wurde es immer mehr.  Die erste Entgiftung, die erste Therapie, die erste Nachsorge. „Ich habe mir damals keine Selbsthilfegruppe gesucht“, erzählt Siggi. Heute sieht er das als Fehler. „Nach einer harten Woche stand ich beim Einkaufen im Laden. Und da stand der Alkohol in meinem Blickfeld. Ich dachte, du hast frei, warum nicht abends was zum Trinken mitnehmen.“ Doch schon nachmittags war die halbe Flasche all. Sehr schnell war die Sucht zurück und mit ihr die Entzugserscheinungen. „Ich wusste alleine schaffe ich es nicht“, erinnert sich Siggi. Und auch bei ihm gaben die Arbeitskollegen den Anstoß zum Entzug. Der zweite Entzug, die zweite Nachsorge in der Fachstelle Sucht. „Ich weiß jetzt, das kontrollierte Trinken funktioniert für mich nicht. Und dieses Mal suche ich mir eine Selbsthilfegruppe.“

 

Diesen Schritt hat Ralf bereits getan. Parallel zur Nachsorge besucht er eine Selbsthilfegruppe. „Ich war zu selbstsicher. Hatte vergessen, dass die Krankheit immer noch da ist“, erinnert sich der 60-Jährige an die Zeit seines Rückfalls. Ein Bier auf einer Betriebsfeier, ein Glas Sekt an Silvester. Zunächst ging alles gut. Doch dann funktionierte es plötzlich nicht mehr. Zum Glück reagierte seine Frau schnell. „Sie sagte zu mir, jetzt nehme ich dir den Schnaps weg. Ich bin dann von selbst zur Entgiftung und in Therapie.“ Viel Vertrauen sei bei seiner Frau, die ihn nur trocken kannte, verloren gegangen, sagt Ralf. Er versucht, ihr, zu erklären, was es bedeutet trockener Alkoholiker zu sein. „Normale Alltagsprobleme können mir über den Kopf wachsen“, weiß er. Deshalb sind ihm und den anderen die Gespräche in der Nachsorge oder in den Selbsthilfegruppen so wichtig. „Jeder weiß hier, worum es geht und versteht den anderen.“ „Was wir in dieser Runde erzählen, würden wir sonst so schnell niemandem erzählen“, sagt auch Sabine.

 

Die gemeinsame Erfahrung, die Gemeinschaft in der Gruppe sie hilft. Genau wie der Austausch: „Von den Rückfällen der anderen zu hören, gibt mir mächtig zu denken“, sagt Günter.  Er ist froh, dass er seine anfängliche Skepsis gegenüber den Treffen überwunden hat. „Hier gibt es keine Scham, keine Vorurteile“, schildert Sabine den besonderen Zusammenhalt in der Gruppe. Es sei sehr erleichternd, so frei reden zu können.

 

Freier fühlen sich die vier auch in anderer Hinsicht. Frei von der Sucht. „Mein Kopf ist wieder frei. Ich habe wieder Ziele und setze sie auch um“, sagt Sabine. Siggi geht noch weiter: „Ich habe ein komplett neues Leben bekommen.“ Ralf ergänzt: „Man freut sich über viele Kleinigkeiten. Aber das wichtigste ist, dass die Ängste und die Gedanken an die Sucht weg sind.“ Und Spaß haben sie alle auch ohne Alkohol „Nur viel bewusster“.

 

Doch ohne Hilfe, dass betonen sie alle, hätten sie es nicht geschafft. Und die Gemeinschaft hilft, das es weiter klappt. Froh sind sie auch über die Unterstützung aus ihrem Umfeld. Familie, Freunde und auch Arbeitgeber – bisher haben sie alle hauptsächlich positive Erfahrung damit gemacht, anderen von ihrer Sucht zu erzählen.

 

Die Fachstelle erreichen Sie unter: Tel.: 04401/4717

http://www.suchtberatung-wesermarsch.de

 

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